Atlas und Norden - Marokko Teil3

Veröffentlicht am 5. August 2025 um 12:47

Die R704 - Der Pass

Es war an der Zeit das herrliche Dades-Tal in Richtung Nordosten zu verlassen. Zur Wahl standen zwei Routen und meine war, wie fast immer die direkte, der R704 folgend mitten durch das Atlasgebirge. Die zweite Route wäre eine Bundesstraße gewesen und fast 100km mehr an Strecke zu fahren, bei fast exakt gleicher Fahrzeit, wobei bei Bundesstraßen auch nicht sichergestellt ist, dass diese in besserem Zustand sind!

Ich war nie am Grand Canyon - oder etwa doch? Die Straße ist bis jetzt Top 3 auf dieser Reise, unfassbar gut!

Oben kurz vor der Passhöhe nochmal ein kleiner "verschnaufer" für Mensch und Maschine. Die Aussichten sind mit Worten kaum zu beschreiben - es knallt heftig, hihi.

Unten kurz nach der Passhöhe der erste Schuß. Ein grüner Fleck, ein paar Tiere gemischt und wenn man ganz genau guckt sieht man im Hintergrund ein paar fleckchen, die Häuser der Bergbauern. 

Es sind an die 100km auf dieser Straße zurückzulegen, welche sich anfühlen wie 500km. Dieser Umstand war aber zu erwarten, da die Straßen einfach zu schlecht sind um Meter zu machen, was mich aber gar nicht stört sondern eher ermuntert, weil man soviel sieht und erlebt. Von den Aussichten wollen wir erst gar nicht anfangen. Allerdings ist diese heutige Etappe dann doch viel härter als ich sie erwartet hätte, speziell der Zustand der Straße nach der Passhöhe. Bis dahin windet sie sich malerisch, mäßig steil und vom Zustand her wirklich gut durch den Nordost-Atlas.

 

In welche Höhe sie mich gleiten lässt, hatte ich so wirklich nicht erwartet, denn wir landen bei brutalen 2860m Passhöhe wobei die letzten 200Hm mit "Gewalt" in den Berg betoniert wurden. Das heißt elendig scharfe, und was noch anspruchsvoller mit einem Gespann zu fahren ist, ist der Höhenunterschied in den Kehren, der war krass. Ich rede dem T4 immer wieder gut zu...dann ist es geschafft und ich und mein Puls beruhigen sich langsam wieder, nur um dann erneut ganz aufgeregt zu sein. Was für eine Natur hier oben, was für eine Gegend das ist.

 

Das Land der Amazigh(Amazir gesprochen), das Volk der Bergbewohner, die wirklichen Berber oder so. Direkt beim ersten Fotostop fallen mir kleinste Siedlungen und einzelne Häuser auf, welche in unmittelbarer Nähe Vieh und grüne Flecken haben. Wir befinden uns kurz nach Passhöhe auf ca. 2700-2800m. Ich habe Gänsehaut beim Anblick dieser Landschaften und den Gedanken an das Leben dieser Menschen hier oben. 

Es war bereits Nachmittag, das Frühstück war längst verdaut und ausgeschwitzt als ich die Gelegenheit nutzte und am ersten Restaurant am Wegesrand den Blinker setzte. Ich rolle kaum aufs Gelände, stürmt schon der erste junge Herr, voll begeistert winkend auf mich zu um mich herein zu bitten. Na das kann ja nur lustig werden, denke ich mir und trete ein. Ausser mir steht ein weiterer PKW geparkt. Das Bild stammt kurz vor der Weiterfahrt. Von den Insassen des PKW werde ich sofort an den Tisch gebeten um ihnen mit den Ziegenfleisch-Grillspießen zu helfen. Da lasse ich mich nicht lange bitten und nehme dankend an. Ich bestelle ein Omlet "Berberart" und fühle mich sofort wohl bei so viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft! Der Betreiber ist ein junger Kerl kaum 20 Jahre welcher unterstützt wird von zwei Freunden, die gerade Semesterferien haben. Wir können uns perfekt in Englisch unterhalten und ich erfahre so manch interessantes. Zum Beispiel dass es im Winter 2024/25 zum ersten Mal seit 2017 wieder richtig Schnee in der Gegend gehabt hat. Dies sei auch der Grund, für die ab dem nächsten Ort total zerflickte Straße, da überall Muren und Lawinen abgegangen sind. Wir reden und essen, es vergeht sicher eine Stunde wie im Fluge dann mache ich weiter. Einen der drei Burschen nehme ich mit in die nächste Ortschaft, welche auch sein Heimatort ist. Ab diesem Ort ist die Fahrt eine Prüfung! Eine Prüfung für Mensch und Material und jeder der Marokko mit einem 4x4 bereist, hätte große Freude an dieser 30km langen Baustelle. Im Schneckentempo geht es von bereits fertiggestellten Abschnitten in welche die sich im Bau befinden und welchen die nur provisorisch "gereinigt" wurden um irgendwie wieder zum nächsten zu kommen. Während man mit sich und der Straße kämpft, sind da ja noch die Eindrücke der Gegend und die Armut der Menschen zu verarbeiten. Man sieht viel Armut hier oben, ich würde behaupten noch ein wenig drastischer als sonst wo in Marokko. 

Die N12 und Imilchil

Der Anblick eines Mercedes-Benz 208 ist in Marokko wirklich nichts besonderes, dieses Modell und weitere Mercedes-Benz Modelle leben hier bis in alle Ewigkeit weiter. Doch ein wenig besonders war die Fahrt schon, gezogen von einem 208, weil mein Motor plötzlich und wie aus dem Nichts ausgegangen war und nicht mehr anspringen wollte! Der Abschlepper, einer dieser unzähligen Bus- und Postverbindungen im Land, ist ein Vollprofi und zieht mich gekonnt zur nächsten Werkstatt. Diese Kleinbusse und Transporter halten das Land zusammen und am laufen. Es gibt auch große Reisebusse für die größeren Entfernungen, und wer einen Zug sucht im Land, muss im Westen suchen gehen, dort gibt es Verbindungen zu den großen Küstenstädten. Gestrandet in Imilchil also, direkt an der Straße wo Werkstatt, Café und Marktladen in einem Gebäude untergebracht wurden. Die Werkstatt, betrieben von zwei Brüdern, einer mehr der Mechaniker, der andere eher der Elektrik verschrieben, machen sich wirklich umgehend an die Fehlersuche. Das Team wird komplettiert von einem 16 Jahre alten Jungen, quasi Lehrling ohne Ausbildungsvertrag oder dergleichen. Ein bisschen chaotisch aber dennoch emsig und zielstrebig ist der Fehler, ein gerissener Keilriemen zügig gefunden. Es wird direkt telefoniert und organisiert und bei zwei möglichen Optionen habe ich Glück und es klappt mit einer Ersatzteillieferung bis zum nächsten Tag! Erstaunlich wie gut und schnell das klappt wenn man die doch schon brüchige Infrastruktur berücksichtigt. Der 208 hält das Land zusammen! Die Menschen dort vor Ort sind erneut einfach unbeschreiblich Gastfreundlich und einer der beiden Brüder lädt mich ein, die Nacht in seinem Haus zu verbringen. Ich bedanke mich mit allem mir möglichen, lehne ab und darf an der Nachts sehr ruhigen Straße direkt neben dem Café und der Werkstatt stehen. Am nächsten Tag, es ist halb elf, geht der Arbeitstag so langsam los - es wird auch bis die Sonne untergeht gearbeitet!

Allerdings ist so ein Arbeitstag und die Art und Weise wie er abläuft, schon sehr speziell würde ich es jetzt mal nennen. Auftragsbücher bzw. Termine gibt es hier keine, genauso wenig wie Rechnungen und Garantie, es gibt hier keine Arbeits- oder Handschuhe, FlipFlops reichen allemal. Es kommen einfach Autos vorbei, man schaut sie sich an und repariert wenn möglich sofort mit gebrauchten Teilen oder findet eine andere Lösung. Die Bilder der "Werkstatt", sind meine ich schon vielsagend was die Unterschiede zu dem von uns bekannten Standards sind! Hebebühne oder fahrbaren Wagenheber gibt es nicht, lediglich einen kleinen zum aufstellen. Es werden aus Holz gefertigte Auffahrkeile und Steine benutzt. Es ist eine andere Welt! Ich muss sagen, ich hatte eigentlich von Anfang an kein schlechtes Gefühl, ob die Mechaniker jetzt kompetent genug sind oder dergleichen. So einen Keilriemen gibt es in jedem Auto, da kann die fehlende Erfahrung mit VW Bulli Bussen kaum was daran ändern. Naja, so ganz glatt lief der Einbau dann doch nicht aber wie es hierzulande halt so ist, gibt es immer jemanden der gerade auftaucht und helfen kann. Vereint sprang der T4 wieder an und schnurrte weiter...500Dirham für den Riemen inkl. Blitzversand über die Berge und 400Dirham für die Arbeitszeit. Der Mechaniker "Moha" Mohamed, wollte erst nichts für seine Arbeit und die des Lehrjungen nehmen!Verrückter Typ der auch gerne mal einen selbstgebrannten "kippt" bei der Arbeit, aber natürlich nur innerhalb der Garage wegen dem Propheten, ist klar!

Dem Lehrjungen gebe ich 100Dirham(10€), welcher sich freut wie Bolle und sich direkt im Marktshop nebenan ein Eis zieht. 

Der Typ auf meinem Rad ist der Inhaber des Marktladens und ab jetzt Mountainbike-Fan! Achja genau, das andere Womo ist von Arnault, einem Franzosen der vor Jahren das gleiche Schicksal durchmachte wie ich. Er strandete hier in den Bergen mit einer Panne seines Wohnmobils und ist dieses Jahr das vierte Mal zu Besuch in der Stadt. Er lebt in Ceuta, der spanischen Enklave von welcher auch meine Fähre ablegt und fährt, wenn immer es die Finanzen zulassen durch Marokko und Nordafrika. 

Für die Nacht folge ich dem Tipp von Arnault und fahre an den nicht weit entfernten See auf 2100m ü.M. Nach dem obligatorischen Besuch der "Stasi" in Form eines Hilfspolizisten auf nem 50er Roller, welcher sich dieses Mal auch ausweisen kann, verbringe ich und ein paar andere Camper eine stille Nacht hier oben. Na stop! Es gibt wirklich an jedem Ort in diesem Land einen Esel in der Nähe der regelmäßig sein Geschrei los wird. Fürchterlich!

Ruine der Stadt Volubilis

Bei angenehmen 42°C in der besten Tageszeit galt es heute noch etwas historisches anzuschauen. Die Stadt Volubilis bzw. das was von ihr noch steht und auf dem Boden liegt. Entspanntes spazieren zwischen den Relikten bei wenig Besuchern und ohne Guide. Es wird alles nötige auf kleinen Tafeln erzählt und erklärt, denke ich mir -  und reicht ja auch!

 

Es ballert heute mal wieder brutal, so dass ich die Runde mit einer Eispause unterbreche, um dann etwas später und leicht runtergekühlt den Rest bestaune. 

 

Diverse Häuser mit Mosaiken und Anlagen, Bäder und Göttertempel! Ich find´s ganz gut und schlendere gemächlich ob der Hitze triefend wie ein vollgesogener Schwamm im trockenen Eimer. Herrlich!

 

Das Land hat sich merklich verändert seit ich aus den Bergen rausgefahren bin. Wohl ist es immer noch sehr bergig und auch immer noch befindet man sich auf weit über 1000m ü.M. aber man sieht recht deutlich wieviel fruchtbarer es hier doch ist. Es gibt Felder und Plantagen in alle Richtungen. Da haben die Römer ganz gut gewählt für ihre Stadt. Am Hang gelegen mit perfekter Rundumsicht und genügend Wasser.

 

Der nächste Eisstop im schattigen Café und Restaurantbereich stand an. Zurück im Camper ist es unerträglich und was bleibt einem da als sich zu bewegen. Fahrtwind! Aufgeht´s weiter gen Norden, nach Chefchaouen die Hauptstadt des Rif-Gebirges. Das Amsterdam von Marokko und überall als "die blaue Stadt" bekannt.

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Kommentare

Susanne
Vor 5 Monate

Du hast ein Vertrauen in "wird schon gut gehen" das ist echt beachtlich. Was für eine tolle Eigenschaft!
Viel Glück weiterhin! Beste Grüße aus dem Rothtal!

Roman
Vor 5 Monate

Was meinst du genau? Wegen der Panne und der Werkstatt? Ich war auch schon mit dem ADAC in Kontakt und der hätte auch nur zur Nächstbesten geschleppt. Also dann halt bei "Mechanique Generale"
😂🇲🇦